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Raqqa — vom schwierigen Neuanfang

Die Lebensumstände in der zerstörten Stadt sind für die Rückkehrer teils unerträglich. Wer sich keine Nahrungsmittel leisten kann, erhält Unterstützung von WFP.

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4 min readApr 13, 2018

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Kinder litten unter der Belagerung von Raqqa besonders. Foto: WFP/Marwa Awad

Die Wadi Straße besteht nur noch aus einer Reihe unbewohnbarer Gebäude, den Überresten des Granatfeuers. Überall verstreut liegen Schutt und verkohlte Fahrzeugreste. Um die Ecke spielen Kinder Verstecken, holen sich ihre Freiheit zurück, einfach herumzulaufen. Gegenüber warten einige Frauen und Männer vor einer kleinen Bäckerei, um Brot zu kaufen. Ein Bulldozer müht sich, die die Trümmer des Krieges wegzuräumen.

Die Rückkehrer erzählen, dass die Zerstörung so massiv ist, dass kein Zuhause oder Gebäude verschont blieb. WFP/Marwa Awad
Für viele bedeutet ihre Rückkehr in die Stadt, komplett bei Null anzufangen. Foto: WFP/Marwa Awad

In den letzten Monaten kehrten hunderttausend Menschen in die Stadt Raqqa zurück. Sie fanden eine Schuttwüste vor. Die städtische Infrastruktur — die Versorgung mit Wasser, Elektrizität und die Telefonverbindungen — ist komplett lahmgelegt. Familien verließen vor Monaten ihre intakten Häuser und finden nur noch die Überreste ihres Zuhauses wieder.

Ein schwerer Neustart

Die Räumarbeiten an den scheinbar endlosen Schuttbergen und der Wiederaufbau haben begonnen, aber das kolossale Ausmaß der Zerstörung erfordert viele Jahre langwieriger Arbeit. Eine Zukunft, in denen die Einwohner mit sehr wenig werden zurechtkommen müssen.

„Ohne mein Zuhause fühle ich mich wertlos“

Im Stadtteil Mansour hat Rabea Darwish Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten auf der kaputten Gasse, die zu den Überresten ihres Hauses führt.

„Ohne mein Zuhause fühle ich mich wertlos“, sagt Rabea, Einwohnerin von Raqqa. Foto: WFP/Marwa Awad

Wie viele andere war Rabea vor der Gewalt aus Raqqa geflohen und schockiert, als sie nach ihrer Rückkehr ihr Haus in Trümmern fand. Trotzdem wollte sie nicht verzweifeln und gab ihre wenigen Ersparnisse aus, um zu retten, was zu retten war.

„Ohne mein Zuhause fühle ich mich wertlos“, sagt sie.

Aber selbst mit einem Dach über dem Kopf ist Rabeas Leben immer noch unerträglich, in einer Stadt ohne Elektrizität oder sauberes Wasser.

„Wir haben Zuhause kein fließend Wasser. Wir trinken Wasser aus gekauften Kanistern, aber das ist nicht sauber. Wenn ich ein Glas Wasser einschenke, kann ich sehen, wie sich der Dreck am Boden absetzt“, erzählt sie.

Bis auf einige kleine, wurden die meisten Bäckerein in Raqqa zerstört. Foto: WFP/Marwa Awad

Zwar wurde mit der Minenräumung bereits begonnen, sodass die Hauptverkehrswege funktionieren und Waren aus dem Rest des Landes in die Stadt gelangen können, doch Landminen und Blindgänger bleiben für die rückkehrende Bevölkerung eine Gefahr. Und sie verlangsamen die Aufräumarbeiten.

Je weiter man in die Stadt vordringt, desto offensichtlicher wird das Ausmaß der Verwüstung. „Wenn man durch die verlassenen Straßen von Raqqa geht, riecht man den Gestank der Leichen, die unter den Trümmern verrotten“, sagt ein Bewohner.

Schulden machen, nur um zu essen

Es gibt nur wenige Jobs in der Stadt. Viele von denen, die nach Raqqa zurückkehren, können sich darum grundlegende Dinge wie Essen oder Kleidung nicht leisten. Viele kaufen Brot und Grundnahrungsmittel auf Kredit.

Jamila hat alles verloren. Sie kauft Brot und Essen auf Kredit, um zu überleben. Foto: WFP/Marwa Awad

Vor einem Jahr war Jamila Mohamed in die Stadt Ain Issa geflohen, wo es ein Camp für vertriebene Familien aus dem Bezirk gab. Vor zwei Wochen ist sie nach Raqqa zurückgekommen — auch sie fand ihr Haus zerstört vor, ihre Sachen waren verschwunden. „Ich habe nichts mehr“, erzählt sie. „Ich habe mich verschuldet, nur um Brot und Gemüse zu kaufen.“ Wie die meisten Bewohner der Stadt, lebt die 70jährige in den Ruinen der Nachbarschaft und bezieht Strom nur über einen Generator.

Vor dem Hintergrund der Zerstörung rackern sich diese Männer ab, um die Stadt wiederaufzubauen. Foto: WFP/Marwa Awad

Immer weiter mischen die Bauarbeiter den Zement für Steine, um eine Stadt wiederaufzubauen, die es eigentlich nicht mehr gibt. Immerhin: Einige Läden sind wiedereröffnet und Händler liefern Waren aus dem In- und Ausland an.

Für den Großteil der Einwohner Raqqas jedoch bleibt die Zeit stehen, während sie versuchen, ihr Leben wiederaufzunehmen inmitten der Zeugen ihres Traumas: den Schuttbergen, die ganze Stadtteile trennen und den Menschenleben, die der Krieg gekostet oder zerstört hat.

Das UN World Food Programme (WFP) hat die vertriebenen Familien aus Raqqa in den Camps in Ain Issa und Mabrouka im Bezirk Hasakeh unterstützt. In der Stadt selbst wird WFP nun 30.000 Menschen mit Notrationen versorgen.

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Offizieller Kanal des UN World Food Programme (WFP). WFP ist die größte humanitäre Organisation der Welt und bekämpft Hunger weltweit. Mehr unter: de.wfp.org